Das „Chaoslesen“ war 2013 ein Experiment. Jetzt, fast genau ein Jahr später, ist es zumindest bei den Liebhabern der Literatur und des Schrägen in der Region Ulm ein gar nicht mehr so geheimer Geheimtipp. Mit Theatermacher Heinz Koch spiele ich seit Juni 2013 in (fast) monatlichem Rhythmus im Theater Neu-Ulm dieses fröhliche Literaturlotto, dieses Poetry Slammen ohne Slam, diese witzige Melange aus Literatur, Stand-up und Autorengespräch.
Dieser Tage haben wir das Chaoslesen ins Ulmer Donaufest implementieren können – mit einer Spezialausgabe zur Donau und dem besonderen Gast Walter Baco.
Von diesem Abend möchte ich gerne die junge Autorin Anna Köhler berichten lassen – sie schrieb auf dem „Literaturblog“ (LINK) des Donaufestes 2014 folgendes:
Chaos-Lesen Spezial am So, 06.07.2014, 19:00 Uhr
„Das Prinzip von Chaos ist, dass man einer nichtlinearen Dynamik folgt: Das einzige was man wissen muss und kann, ist der Abstand von einem bekannten bis zum nächsten berechenbaren Punkt.“. So beschreibt Heinz Koch das von ihm selbst und Florian L. Arnold im Jahr 2013 ins Leben gerufene Projekt „Chaos-Lesen“. Und das Programm macht seinem Namen tatsächlich alle Ehre: weder das Publikum noch die Moderatoren wissen, was sie als nächstes erwartet, welches Buch, welche Seiten oder welche Lettern den weiteren Verlauf des Programms beeinflussen werden. Bloß gut, dass die Moderatoren sich darauf verstanden, kreativ und flexibel auf die ausgewählten Werke zu reagieren.
Das Publikum spielte bei dieser Veranstaltung nicht den üblichen klassischen, also passiven Part, sondern bestimmte durch Losverfahren die Kategorie, aus der vorgetragen wurde (und die dazu passende Kopfbedeckung!). Zur Auswahl standen: Flohmarkt, Humor-Satire, Märchen, Wiener Melange, Heimspiel, Very Special, Schmuddelecke, Donau-Reisen und natürlich mein persönlicher Favorit, der Giftschrank, mit der zusätzlich integrierten „Untersten Schublade“, die ihren Namen nicht nur aufgrund ihrer Position, sondern auch wegen ihres Inhalts trägt.
Dem völlig wilden Literaturmix wurde dann noch die chaotische Krone dadurch aufgesetzt, dass das Publikum aus den jeweiligen Kategorien ein Buch und darin noch eine Seite auswählen durfte.
Der Abend wurde zusätzlich durch das „lebende Gästebuch“ Walter Baco, um an dieser Stelle noch einmal die Moderatoren zu zitieren, am Klavier musikalisch untermalt.
Der „Poetry-ohne-Slam“, wie Florian L. Arnold das Projekt mit einem Augenzwinkern betitelte, soll das Publikum in den Slam, der eigentlich keiner ist, mit einbeziehen. Gleichzeitig ist das Chaos-Lesen eine Möglichkeit, noch wenig bekannte Autoren und Autorinnen dem Publikum zu präsentieren und näher zu bringen. Im Falle des gestrigen Abends war dies Walter Baco, der unter anderem aus seinem satirischen Ratgeber „Doctrine Supreme“ rezitierte. Wer Freude an humorvoll geschriebener und rhetorisch anspruchsvoller Literatur hat, dem kann ich dieses Werk nur ans Herz legen.
Baco war jedoch nicht der einzige Autor, der an diesem Abend etwas Selbstverfasstes zum Besten gab, auch Arnold trug selbstverfasste Prosa vor, die vom Sprach- und Vortragsstil an Vic von Bülow, alias Loriot, erinnerte.
Die an Impro-Theater und Poetry Slam anlehnende Vorstellung war sehr unterhaltsam und abwechslungsreich und eine wunderbare Möglichkeit, neue und alte literarische Schätze auszugraben oder sich vorstellen zu lassen. Besonders lobenswert finde ich auch, das allen Interessierten eine Liste mit lesenswerten Werken zusammengestellt wurde, sodass einem auch als weniger aktiver Zuschauer, der vielleicht nicht mit Schreibblock und Stift in der Hand sich alles Lesenswerte notiert hat, das ein oder andere literarische Schmankerl nun doch in Erinnerung bleibt.“
Mit freundlichem Dank für das „Ausleihen“ dieses Textes an Anna Köhler und das Donaubüro Ulm:
https://donaubuero.de/literaturblog